Gen-Doping macht Athleten zu Muskelprotzen

Wissenschaftler warnen vor der Anwendung biotechnologischer Methoden bei Sportlern - Risiken für die Gesundheit

Von Margit Muschiol

Berlin - Noch gelten im Leistungssport Substanzen, die rote Blutkörperchen bilden oder ersetzen können, als Wundermittel zur Leistungssteigerung. Doch in wenigen Jahren werden vom Ehrgeiz besessene Spitzensportler ihre Gene künstlich verändern, um sich einen Leistungsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Das meinen führende Dopingexperten. Gen-Doping hätte gegenüber den herkömmlichen Methoden entscheidende Vorteile: Der Sportler bräuchte keine Substanzen mehr einzunehmen, denn es wirkt direkt aus dem Körper. Zudem wäre es für Dopingfahnder extrem schwer nachzuweisen. "Sportler testen im Sinne der Leistungssteigerung immer neue Methoden, die noch nicht verboten sind. Sobald bestimmte Gentherapien zugelassen werden, werden sie wohl auch im Sport missbräuchlich eingesetzt. Zu befürchten ist sogar, dass bereits in der Testphase der Therapien ein Missbrauch stattfinden könnte", warnt Professor Wilhelm Schänzer vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln.
Beim Gen-Doping würden Sportler die Erkenntnisse der modernen Gen-Forschung nutzen. Spezielle leistungssteigernde Gene könnten im Körper aktiviert oder gehemmt werden. "Es ist anzunehmen, dass bestimmte Sportgruppen ein Interesse daran haben, Gene zu verändern, die mit dem Muskelaufbau zusammenhängen", sagt Professor Horst Michna, Leiter des Instituts für Experimentelle Morphologie in Köln. Dem Myostatin-Gen könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen. Dieses Gen kontrolliert das Wachstum von Muskeln.

Sobald dieses Gen defekt ist, beginnen die Muskeln zu schwellen. Bei der Rinderrasse Belgian blue ist dieses Gen beispielsweise defekt. Die Muskelmasse der Rinder ist doppelt so hoch wie die ihrer Artgenossen. Amerikanischen Forschern gelang es, das Myostatin-Gen bei Mäusen auszuschalten. Die Mäuse entwickelten sich zu regelrechten Muskelprotzen. Insbesondere Gewichtheber und Bodybuilder könnten ein Interesse daran haben, in bestimmten Muskelgruppen ihr Muskelwachstum genetisch zu fördern. Auch erfolgshungrige Ausdauersportler könnten von der Verführung durch das Gen-Doping betroffen sein. Die Ausdauerleistung von Menschen wird wesentlich durch die Anzahl der im Blut vorhandenen roten Blutkörperchen bestimmt. Diese transportieren den Sauerstoff im Körper. Je höher der Anteil dieser sauerstofftransportierenden Blutkörperchen ist, desto höher ist die körperliche Leistungsfähigkeit.

Das in der Niere produzierte Hormon Erythropoetin (Epo) reguliert die Anzahl der roten Blutkörperchen im Blut. Viel Epo bedeutet somit einen hohen Sauerstoffgehalt im Blut. Das Gen, das für die Produktion von Epo verantwortlich ist, wurde bereits identifiziert. Im Labor kann Epo deshalb gentechnisch hergestellt werden. Für Nierenkranke ein lebenswichtiges Verfahren, für Sportler eine der gängigsten Methoden, ihre Ausdauerleistung auf unnatürliche Weise hochzuschrauben.

Wissenschaftler versuchen nun, Gene mittels Gen-Fähren direkt in den Körper einzuschleusen. Solche Gen-Fähren können beispielsweise bestimmte Viren sein. US-Forschern an der Pennsylvania State University ist es gelungen, das Epo-Gen mittels eines Schnupfenvirus in den Körper von Affen einzuschleusen. Die Produktion von Epo wurde so angekurbelt. Die Anzahl der roten Blutkörper erhöhte sich bei den Tieren für rund ein Jahr. Es gelang aber nicht, die einmal in Gang gesetzte Bildung von Epo wieder anzuhalten.

Gen-Fähren hinterlassen im Körper fremdes Erbmaterial. Dieses Material aufzuspüren, wäre eine Möglichkeit, Gen-Doping nachzuweisen. Die so genannte "Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist ein Verfahren, mit dem fremdes genetisches Material in einem Organismus entdeckt werden kann. Es wurde von dem Amerikaner Kelly Mullis entwickelt, der dafür 1993 den Nobelpreis erhielt.

Gen-Doping würden derzeit jedoch "nur Sportler anwenden, die sich selbst umbringen wollen", meint Schänzer. "Die Gesundheitsrisiken sind enorm hoch." Bestimmte Gene könnten gefährlich große Muskelberge produzieren, die dann von Knochen, Sehnen und Gelenken nicht mehr getragen werden können.

Quelle: www.welt.de