Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kinesio Taping
Da hier das Thema Kinesio Taping ja inzwischen häufig angesprochen wurde und es einige positive Reaktionen dazu gab, hab ich mir gedacht das Wie, Wo, Was, Warum mal schriftlich darzustellen.
Wirkung durch Bewegung
Wie der Name schon sagt (griech. Kinesis = Bewegung), ist eine Voraussetzung für die Wirkung des Tapes die Bewegung. Daraus ergibt sich aber auch, dass zum Beispiel gelähmte Strukturen oder bei erforderlicher Ruhigstellung kein Therapieerfolg zu erwarten ist. Wer sich hierbei wegen Schmerzen schonen will, oder sich nur eingeschränkt bewegt, der sabotiert (ungewollt) die Behandlung. Hierbei könnte eine Schmerzmedikation unterstützend greifen.
Kontraindikationen
Im Gegensatz zum klassischen Tape kann man mit den dehnbaren kinetischen Tapes eine Struktur nicht komplett ruhigstellen. Das will man damit ja auch nicht, denn die Bewegung ist ja Voraussetzung für die Wirkung. Eine Anwendung ist deshalb bei Rupturen (Riss, Abriss) von Bändern, Muskeln oder Sehnen ebenso wenig zielführend, wie bei knöchernen Verletzungen.
Dadurch, dass das Tape direkt auf die Haut geklebt werden muss, sind bei der Anwendung Grenzen gesetzt. Ein Anlegen auf einem Hautschützenden Verband, wie man es bei klassischen Tapes machen kann, ist hier unsinnig. Somit gehören frische Hautverletzungen, Neurodermitis, Psoriasis (Schuppenflechte), oder andere Hautverletzungen zu den Kontraindikationen. Eine Allergie auf den Acrylkleber soll indes sehr selten sein. Hier kann man aber vorher ein spezielles Hautspray auftragen.
Da das Tape die Haut mehr oder weniger anhebt und so das kompressionsbedingte sistieren (beenden) von Blutungen verhindern kann, gehören alle Gerinnungsstörungen zu den Kontraindikationen. Auch bei frischen Einblutungen ist Vorsicht geboten, um diese nicht zu verschlimmern.
Begriff
Die Anwendung der kinetischen Tapes ist eine Therapiemethode, die ähnlich der Akupressur oder Akupunktur einen nachweisbaren Effekt auf bestimmte Rezeptoren hat. Über diese werden die neuronalen Regelkreise beeinflusst und so Schmerzen, aber auch Efferenzen wie z.B. der Muskeltonus oder die Koordination verändert.
Material
Hochwertige kinetische Tapes bestehen immer aus einem dehnbaren Baumwollgewebe, das mit Acrylkleber beschichtet ist. Es sollte nur in Längsrichtung elastisch sein und die Ursprungslänge sollte um ca. 30-40% gedehnt werden können. Damit entspricht die Flexibilität ungefähr der des - mit dem Tape beeinflussten – menschlichen Gewebes. Das Tape ist mit leichter Vordehnung von 10% auf einem Trägerpapier aufgebracht. Der Acrylkleber ist in einer bestimmten Wellenform aufgebracht. Das Material ist luft-und wasserdurchlässig, und der Kleber löst sich selbst beim Duschen und Schwitzen meistens nicht ab. Damit ist ein guter Tragekomfort gegeben und eine lange Tragedauer möglich.
Hochwertiges Tape ist frei von chemischen Wirkstoffen (Medikamenten). Auf etwaige Konflikte mit der Doping Liste muss also nicht geachtet werden.
Farben
Kinetische Tapes gibt es in vielen verschiedenen Farben. Die Beschaffenheit der Tapes ist jedoch unabhängig von der Tapefarbe identisch. Es schadet wohl aber nicht, eine Farbe für die Therapie ganz bewusst zu wählen. Von vielen wird Blau für detonisierend (die Vorspannung des Muskels schwächend) und Rot für tonisierende (die Vorspannung des Muskels verstärkend) Anlagen gewählt.
Grundlegende Effekte
Nach einer Anlage des kinetischen Tapes sind drei grundlegende Effekte zu beobachten:
Der erste ist alleine einer mechanischen Eigenschaft des Tapes, dessen Elastizität, begründet: durch das gedehnte Tape wird die Haut und mit ihr auch Teile des darunter liegenden Gewebes angehoben. Das schafft Raum. So wird die Durchblutung gesteigert oder Ödeme (Flüssigkeitsansammlungen) können besser abtransportiert werden. Außerdem wird der Druck im Gewebe verringert und so auch der Schmerz gelindert.
Der zweite Effekt ergibt sich durch die statischen Materialeigenschaften und könnte auch mit klassischem Tape oder Verbandmaterial erreicht werden: bei der Anlage an Extremitäten wird durch das Tape auf der Haut ein Widerlager für die Muskelpumpe gebildet, wodurch die Blut- und Lymphzirkulation verbessert wird.
Der dritte Effekt ist nun der eigentlich entscheidende. Er besteht durch die besondere Kinetik, die sich aus dem Zusammenwirken von Material und Anlagetechnik ergibt: die mit dem speziellen Tape in korrekter Technik beklebte Haut verhält sich bei Bewegung anders als unbeklebte. Das Tape hindert die Haut daran bei Bewegung dem darunter liegenden Gewebe so zu folgen, wie sie es ohne Tape täte. Damit entstehen dynamische Verschiebungen zwischen der Haut und den darunter liegenden Schichten, wodurch wiederum teilweise funktionelle Blockierungen oder Verklebungen gelöst werden können. Die bedeutendste Folge dieser Verschiebungen liegt aber darin, dass dort die liegenden Rezeptoren (Sinneszellen) spezifisch gereizt werden. Das Tape wirkt also nur bei der Bewegung sondern durch sie.
Die Wirkung der kinetischen, hautvermittelten Schmerzreduktion ist eigentlich jedem aus dem Alltag bekannt: schon kleine Kinder reiben über eine schmerzende Stelle und erzeugen so über die Verschiebung der Haut eine schmerzlindernde Wirkung. Die Schmerzreduktion über eine Druckentlastung im Bindegewebe kennt auch fast jeder der schon mal einen Pickel oder Abszess eröffnet hat.
Vorbereitung
Wichtig für die optimale Wirkung des Tapes ist der möglichst innige Kontakt zwischen Tape und Haut. Hierzu muss die Haut beim Anlegen möglichst fettfrei und trocken sein. Außerdem sollten vorhandene Härchen gekürzt werden. Eine Rasur ist aber nicht zu empfehlen, weil dabei Mikroverletzungen gesetzt werden, auf die man das Tape nicht aufbringen sollte. Also lieber nur mit einem Langhaarschneider kürzen.
Zwar klebt das Tape nach 30-60min schon, aber seine maximale Haftung erreicht es erst nach ein paar Stunden. Deshalb sollte man es nicht direkt vor einer sportlichen Aktivität aufkleben.
Anlegen des Tapes
Unterschiedliche Strukturen, wie z.B. Muskeln und Bänder, muss man mit verschiedenen Tape Techniken behandeln. Bei vielen Anlagetechniken ist zudem die Verlaufsrichtung des Streifens für die Wirkung entscheidend. Das Tape wird – beginnend von seiner Basis, hin zu seinem Ende - fortschreitend aufgebracht. Das Tape zieht dann, während es anliegt, immer zu seiner Basis zurück, also entgegen der Anlagerichtung.
Allgemeine Anlagetechnik – auf einen Blick
o Zuschneiden des Tapes (I-Form, Y-Form, Fächer, schmale Streifen)
o Aufrollen der Enden und vorzeitiges Ablösen verhindern: Ecken abrunden, Basis und Ende immer spannungsfrei aufbringen
o auf trockene, haararme und fettfreie Haut achten
o Verlaufsrichtung bestimmen
o Korrekte Vordehnung der Haut/ des Gewebes vor und während der Anlge beachten
o Tape nach dem Kleben warm anmodellieren (anreiben)
Vorzeitiges Ablösen des Tapes vorbeugen
Damit das Tape gut und lange klebt, gilt es, ein Aufrollen und ein vorzeitiges Ablösen der Enden zu vermeiden. Die Ecken sind die Stellen, an denen sich das Tape am ehesten löst. Es wirkt an den Ecken aber nicht therapeutisch, also kann man die Ecken getrost rund abschneiden und verhindert so ein Aufrollen und Ablösen an dieser Schwachstelle.
Jeder Streifen ist hauptsächlich an Basis und Enden befestigt. Damit diese besonders gut haften, werden sie immer ohne jeglichen Zug auf die Haut geklebt. So halten sie am besten, auch wenn der restliche Streifen manchmal sogar maximal gedehnt ist. Der ganze Bereich der Basis und der Enden des Tapestreifens ist kaum an der Hautverschiebung und damit auch nur gering an der neurophysiologischen Wirkung beteiligt. Gelegentlich ist es sinnvoll, die Enden noch zusätzlich mit Fixierstreifen zu befestigen.
Nach dem Anlegen sollte man das Tape warm anmodellieren (reiben), um eine möglichst schnelle Verbindung des Klebers mit der Haut zu erreichen. Wenn das Tape nass oder feucht geworden ist, sollte man es vorsichtig trocken tupfen und wenn möglich Wärme applizieren (Föhn), damit der Kleber wieder aktiviert und die Haftung verbessert wird.
Muskelanlagen
Vor der Anlage des Tapes auf dem Muskel wird dieser so weit wie möglich gedehnt und zur Anlage so gehalten. Der Streifen verläuft dann, meist auf dem Muskelbauch, immer entlang des funktionellen Muskelverlaufs zwischen Ansatz und Ursprung. Je nach Verlaufsrichtung des Tapes wirkt die Anlage auf den Muskeltonus reduzierend oder steigernd. Das Tape selbst wird dabei nicht weiter gedehnt, als es auf der Rolle klebt, das sind 10% Dehnung; man bezeichnet dies als ungedehnte Anlage.
Das Tape wird mit der Rolle am Muskel abgemessen, dann erst abgeschnitten und die Ecken abgerundet. Ungefähr drei Finger breit von einem Ende wird das Trägerpapier eingerissen und am Ende abgezogen. Nun wird dieses Stück, die sogenannte Basis, ganz ohne Zug fixiert. Diese liegt, wenn der Muskeltonus erhöht werden soll (tonisierende Anlage) am Ursprung des Muskels und, wenn der Muskeltonus verringert werden soll (detonisierende Anlage) am Ansatz. Das Ende des Streifens wird dann wieder ohne Zug aufgeklebt. Zuletzt wird der Streifen mit den Händen anmodelliert.
Muskeltechnik – auf einen Blick
o Ungedehnte Anlage, also 10%, wie auf der Rolle (Enden aber völlig ohne Zug fixieren)
o entlang des Muskelverlaufs, Muskel maximal vorgedehnt
o detonisierend: von Ansatz zum Ursprung aufbringen
o tonisierend: vom Ursprung zum Ansatz aufbringen
Ligamentanlagen (Bänderanlage)
Zur Gruppe der Ligamentanlagen zählen nicht nur die Anlageformen über Bänder und Sehnen, sondern auch die Anlagen, die auf spezielle Punkte wie Schmerz-, Trigger,- oder Akupunkturpunkte wirken sollen. Ligamentanlagen erfolgen immer mit maximaler Tapedehnung. Die Enden werden – wie bei der Muskeltechnik – völlig ohne Zug angelegt, damit das Tape auch gut auf der Haut verankert ist. Bei den Ligamentanlagen werden – passend zur jeweiligen Indikation – drei unterschiedliche Techniken angewendet, nämlich die En-Bloc-Anlage auf Bändern, die Anlage mit maximalem Zug in eine Richtung auf Sehnen und die Lift-up-Technik (auch Relief-Tape oder Space-Tape) auf Trigger- und Schmerzpunkten.
Unterschied bei den Techniken ist die Zugrichtung des angelegten Tapes.
Bei der Anlage auf Sehnen wird eine Basis zugfrei auf die knöcherne Insertionsstelle (Ursprungsstelle) der Sehne aufgebracht und das Tape dann mit maximaler Dehnung unter Hautvorschub, im Verlauf der leicht gedehnten Sehne, fortschreitend aufgeklebt. Das Ende auf der Muskelinsertationsstelle wird ohne Zug fixiert.
Wird ein Streifen hingegen en bloc geklebt, ist der Zug ausgehend von beiden Enden zur Mitte gerichtet. Dadurch werden Haut und Gewebe angehoben (lift up Effekt). Bei der En-bloc-Anlage über Bändern ist der Tapeverlauf durch die Lage des Bandes im Körper vorgegeben. Beim Relief Tape erfolgt auch eine En-bloc Anlage, jedoch ist die Verlaufsrichtung hier unabhängig von den anatomischen Strukturen auf die geklebt wird. Das Relief-Tape wird meistens horizontal oder überkreuzend auf dem Schmerzpunkt angelegt. Das Lift-up der Haut und des darunter liegenden Gewebes wird durch zusätzliche sich überkreuzende Streifen verstärkt, folglich auch die Wirkung auf die genau dort liegenden Rezeptoren.
Achtung: Wegen dieser verstärkten Auflockerung des Gewebes birgt die Lift-up-Technik immer das Risiko von Einblutungen ins Gewebe.
Ligamenttechnik auf Sehnen – auf einen Blick
o Länge abmessen und abschneiden, Ecken abrunden
o Ungedehnte Basis auf der knöchernen Insertationsstelle der Sehne anbringen
o Gelenk in leichte Sehnendehnung
o Hautvorschub an der Basis gegen die Taperverlaufsrichtung
o Tapeanlage mit maximalem Zug fortschreitend über die Sehne
o über der Muskelinsertationsstelle Ende ohne Zug aufkleben
o Tape gut anmodellieren, erwärmen
En-bloc-Technik auf Bändern – auf einen Blick
o Länge abmessen und abschneiden, Ecken abrunden
o Trägerpapier mittig einreißen und zu den Enden hin abziehen
o Papier 2-3 Finger breit belassen
o Gelenk in maximaler Banddehnung einstellen
o Tape maximal dehnen und en-bloc (im Ganzen) aufkleben
o Gelenk in maximaler Hautdehnung bringen
o Restliches Papier an den Enden abziehen und Enden ohne Zug aufkleben
o Tape anmodellieren, erwärmen
Relief-Tape – auf einen Blick
o Länge abmessen und abschneiden, Ecken abrunden
o Trägerpapier mittig einreißen und zu den Enden hin abziehen
o Papier 2-3 Finger breit belassen
o Schmerz,-Trigger, oder Akupunkturpunkt tasten
o Tape maximal dehnen und en-bloc (im Ganzen) mitig auf den Punkt aufkleben
o Trägerpapier an den Enden abziehen und Enden ohne Zug aufkleben
o Zweiten Streifen 90 Grad zum Ersten ebenso aufbringen, ggf. in 45 Grad zwei weitere Streifen anlegen
o Tape anmodellieren, erwärmen
Effekte der Muskelanlage – auf einen Blick
o Wirkung auf die intramuskuläre Koordination
o Veränderung der Wahrnehmung
o Tonusveränderung der Muskulatur
o Schmerzreduktion
o Verbesserung der Gelenkfunktion
o Lösen von Faszienverklebungen (Muskelhülle)
o Beseitigung von Einschränkungen am Kreislaufsystem
Auf die einzelnen Effekte gehe ich jetzt hier nicht weiter ein. Auch kann man ein klassisches Tape mit dem Kinetischen Tape kombinieren, aber auch dies lasse ich bewusst weg.
Ich hoffe jetzt keinen überfordert zu haben, und etwas Licht in die Welt der mysteriösen bunten Tapes gebracht zu haben.
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