Zum Rausche
09.06.2009, 01:21
SPD will Anabolikakonsumenten zu Straftätern machen
Geschrieben/Gepostet am 8. Juni 2009 von Ben Kutscher
Originalartikel http://www.bundestag.de
Im Mai 2009 gab es eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestages, anwesend waren unter anderem Experten wie Seyfu (Lied "Dopingbusiness") und Jörg Börjesson, hier die offizielle Meldung:
Sowohl der betroffene Personenkreis als auch die Intensität des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport nimmt weiter zu. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag geladenen Experten einig. Sie bedauerten gleichzeitig, dass es derzeit zu wenig belastbare Untersuchungen in diesem Bereich gibt.
Aus Sicht von Mischa Kläber, der an der Technischen Universität Darmstadt an einer Promotion zum Thema des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport arbeitet, werde Doping vielfach immer noch als Problem des Hochleistungssports gesehen. Die Dopingszene des Freizeit- und Breitensports habe sich derweil ungebremst entfalten können. Kläber forderte, dem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wichtig sei für die Forschung dabei, die Freizeitsportler, die sich für ihren Sport dopen, nicht zu verurteilen oder zu diffamieren. "Hauptnachschubstation" für verbotene Substanzen seien seinen Befragungen nach Fitnessstudios, in denen sich Amateure und Profisportler treffen würden. Zugleich verwies er darauf, dass bei vielen Freizeitsportlern der Medikamentenmissbrauch unter ärztlicher Beobachtung stattfinden würde. Das bestätigte auch Professor Perikles Simon von der Universität Mainz. Ein Drittel der Dopingnutzer ließen sich vom Arzt "kontrollieren", sagte Simon. Gleichzeitig nehme jedoch der Missbrauch über Internetnutzung zu. Als am häufigsten verwandte Wirkstoffe benannte er Methandienon sowie verschiedene Testosteronester. Meist hänge jedoch der eingesetzte Wirkstoff vom Angebot des Schwarzmarktes ab.
Eine Nachjustierung des Arzneimittelgesetzes schlug Professor Klaus Müller, langjähriger Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, vor. Zudem müsse die Datenlage in dem Bereich des Freizeit- und Breitensports verbessert werden. Er kritisierte zudem, dass die Medien den Eindruck vermitteln würden, Erfolge im Leistungssport ließen sich nur mit Hilfe von Doping erzielen. Nach Ansicht des ehemaligen Bodybuilders und jetzigen Anti-Doping-Aktivisten Jörg Börjesson hat Doping den Sport längst verlassen und Fuß in der Gesellschaft gefasst. Er wisse von dopenden Soldaten, Polizisten und auch Sportstudenten, die körperlich fit sein müssten und dabei auf der Suche nach der Lücke zum "gesunden Medikamentenmissbrauch" seien. Er halte Vorträge in Schulen, um jungen Menschen die möglichen Folgen des Medikamentenmissbrauchs deutlich zu machen. Solche eventuellen Folgen seien erfolgreichen Bodybuildern egal, sagte der Szenemusiker Sven - Seyfu - Schulze. "Mister Olympia" verdiene mit seinen Auftritten viel Geld. "Der sagt sich doch: Immer noch besser, dabei eventuell die Gesundheit zu gefährden, als sich auf dem Bau kaputt zu machen", sagte Schulze. Seiner Meinung nach dürften dopende Freizeitsportler nicht als Versager hingestellt werden, da sie so bei der Aufklärung nicht erreicht werden könnten.
Ein einheitliches Zertifizierungssiegel für die Freizeitsportbranche mit entsprechender Ausbildung und Ausstattung der Sportanlagen forderte Ron Ostermann vom Verband Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen. Zudem solle über eine abschreckende Kampagne - wie etwa beim Rauchen - nachgedacht werden.
Die WELT schreibt dazu:
Der Kronzeuge, der helfen soll, die Stimmung zu kippen, ist im T-Shirt vor den Politikern erschienen. Unter der Baumwolle wölbt sich der Oberkörper beachtlich. Tattoos, die sich um den Bizeps winden, verstärken seine imposante Wirkung. Sven Schulze wollte in den Polizeidienst. Er glaubt, er sei gescheitert, als seine Handschrift beim Diktat im Einstellungstest nicht zu entziffern war.
Kurzfristig hat er es nun aus dem Berliner Randstadtteil Lichterfelde-Süd bis ins Zentrum der Macht geschafft. Mit dem Rap "Doping Business" hat er sich unter dem Künstlernamen "Seyfu" dem Sportausschuss des Bundestages als Sachverständiger empfohlen: "Injektion, Propionat, 5 Ampullen jeden Tag, Deca Enantat, Trenbolonacetat, 12 I.E., Wachse-Kur, täglich Insulinzufuhr, 4 Ampullen Enantat alle 7 Tage pur."
Zwischen Wissenschaftlern mit mehreren Doktor- und Professorentiteln liefert "Seyfu" Empirie der Straße vom Gucken und Hören. "Jeder Dritte, der Fitness macht", schätzt er, "hat schon mal gestofft."
Zwei Jahre nach dem Versuch, Doping im Spitzensport durch die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes einzudämmen, zählen nun Menschen wie Schulze zu den Argumentationshilfen beim nächsten Schritt: Die Novelle bringt nicht die gewünschten Ergebnisse. Das Gesetz schreckt nicht ausreichend vor Doping ab, was nicht allein an Defiziten in der Strafverfolgung liegt. "Wir müssen endlich akzeptieren, dass die Jagd nach Hintermännern nicht ausreicht, sondern dass der Sportler, der Doping zulässt, genauso Täter ist und strafrechtlich verfolgt werden muss", sagt Dagmar Freitag, Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Sportsprecherin der SPD, "wir müssen in der 17. Wahlperiode eine Mehrheit für eine weitere Verschärfung des Gesetzes organisieren."
Der Deutsche Olympische Sportbund mit dem früheren Olympiafechter Thomas Bach an der Spitze und dem Anabolika-erprobten Ex-Turner Eberhard Gienger, CDU-Sportausschussmitglied, als Vizepräsident, lehnt die Strafverfolgung dopender Athleten strikt ab.
Kämpfer für sauberen Sport verlegen sich daher nun auf eine neue Strategie: Aufgrund der kleinen Zielgruppe Spitzensport ließe sich eine Verschärfung des Gesetzes allein mit Blick auf dopende Stars kaum rechtfertigen. Daher rückt nun die breite Masse Freizeitsportler mit chemisch gefördertem Muskelaufbau ins Visier. Rapper Schulzes saloppe Schätzung lässt sich wissenschaftlich fundieren: Etwa 700 000 von sechs Millionen Mitgliedern in Fitnessstudios hätten gedopt, berichtet der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon. In Belgien neulich fielen die Nationalen Bodybuilding-Meisterschaften plötzlich aus: Als ein Dopingkontrolleur kam, um die 20 Teilnehmer zu testen, brach Hektik in der Halle aus, an deren Ende alle Konkurrenten gemeinsam flüchteten. Der deutsche Verband der Fitness- und Gesundheitsunternehmen gibt schriftlich zu Protokoll: "Der Medikamentenmissbrauch beginnt erfahrungsgemäß bereits im Alter von 13 Jahren."
Freitags SPD steht daher keineswegs allein. Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk fordert nun erneut strengere Vorschriften: "Die Gesetzesänderung hat nicht gewirkt", sagt die CSU-Frau, "wir können nicht systematisch gegen dopende Sportler vorgehen. Wir können keine Strategie aufbauen, um ganz gezielt zu ermitteln."
Auf die Vernunft der ihre Gesundheit durch Doping riskierenden Athleten ist kein Verlass. Rapper "Seyfu" hat Anabolika genommen, obwohl er weiß, dass Frauenbrüste von den Hormonen wachsen können. Er nennt sie "Bitch-Tits", kennt aber sogar den wissenschaftlichen Begriff. Nach dem Bundestagsauftritt wendet er sich an seinen Nachbarn: Jörg D. Börjesson, einst Bodybuilder, nun Antidopingkämpfer. "Sind Sie der Herr mit der Gynäkomastie", fragt "Seyfu". Börjesson, der zur Abschreckung die Vergrößerung seiner Brustdrüsen durch Doping beschreibt, nickt.
Geschrieben/Gepostet am 8. Juni 2009 von Ben Kutscher
Originalartikel http://www.bundestag.de
Im Mai 2009 gab es eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestages, anwesend waren unter anderem Experten wie Seyfu (Lied "Dopingbusiness") und Jörg Börjesson, hier die offizielle Meldung:
Sowohl der betroffene Personenkreis als auch die Intensität des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport nimmt weiter zu. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag geladenen Experten einig. Sie bedauerten gleichzeitig, dass es derzeit zu wenig belastbare Untersuchungen in diesem Bereich gibt.
Aus Sicht von Mischa Kläber, der an der Technischen Universität Darmstadt an einer Promotion zum Thema des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport arbeitet, werde Doping vielfach immer noch als Problem des Hochleistungssports gesehen. Die Dopingszene des Freizeit- und Breitensports habe sich derweil ungebremst entfalten können. Kläber forderte, dem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wichtig sei für die Forschung dabei, die Freizeitsportler, die sich für ihren Sport dopen, nicht zu verurteilen oder zu diffamieren. "Hauptnachschubstation" für verbotene Substanzen seien seinen Befragungen nach Fitnessstudios, in denen sich Amateure und Profisportler treffen würden. Zugleich verwies er darauf, dass bei vielen Freizeitsportlern der Medikamentenmissbrauch unter ärztlicher Beobachtung stattfinden würde. Das bestätigte auch Professor Perikles Simon von der Universität Mainz. Ein Drittel der Dopingnutzer ließen sich vom Arzt "kontrollieren", sagte Simon. Gleichzeitig nehme jedoch der Missbrauch über Internetnutzung zu. Als am häufigsten verwandte Wirkstoffe benannte er Methandienon sowie verschiedene Testosteronester. Meist hänge jedoch der eingesetzte Wirkstoff vom Angebot des Schwarzmarktes ab.
Eine Nachjustierung des Arzneimittelgesetzes schlug Professor Klaus Müller, langjähriger Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, vor. Zudem müsse die Datenlage in dem Bereich des Freizeit- und Breitensports verbessert werden. Er kritisierte zudem, dass die Medien den Eindruck vermitteln würden, Erfolge im Leistungssport ließen sich nur mit Hilfe von Doping erzielen. Nach Ansicht des ehemaligen Bodybuilders und jetzigen Anti-Doping-Aktivisten Jörg Börjesson hat Doping den Sport längst verlassen und Fuß in der Gesellschaft gefasst. Er wisse von dopenden Soldaten, Polizisten und auch Sportstudenten, die körperlich fit sein müssten und dabei auf der Suche nach der Lücke zum "gesunden Medikamentenmissbrauch" seien. Er halte Vorträge in Schulen, um jungen Menschen die möglichen Folgen des Medikamentenmissbrauchs deutlich zu machen. Solche eventuellen Folgen seien erfolgreichen Bodybuildern egal, sagte der Szenemusiker Sven - Seyfu - Schulze. "Mister Olympia" verdiene mit seinen Auftritten viel Geld. "Der sagt sich doch: Immer noch besser, dabei eventuell die Gesundheit zu gefährden, als sich auf dem Bau kaputt zu machen", sagte Schulze. Seiner Meinung nach dürften dopende Freizeitsportler nicht als Versager hingestellt werden, da sie so bei der Aufklärung nicht erreicht werden könnten.
Ein einheitliches Zertifizierungssiegel für die Freizeitsportbranche mit entsprechender Ausbildung und Ausstattung der Sportanlagen forderte Ron Ostermann vom Verband Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen. Zudem solle über eine abschreckende Kampagne - wie etwa beim Rauchen - nachgedacht werden.
Die WELT schreibt dazu:
Der Kronzeuge, der helfen soll, die Stimmung zu kippen, ist im T-Shirt vor den Politikern erschienen. Unter der Baumwolle wölbt sich der Oberkörper beachtlich. Tattoos, die sich um den Bizeps winden, verstärken seine imposante Wirkung. Sven Schulze wollte in den Polizeidienst. Er glaubt, er sei gescheitert, als seine Handschrift beim Diktat im Einstellungstest nicht zu entziffern war.
Kurzfristig hat er es nun aus dem Berliner Randstadtteil Lichterfelde-Süd bis ins Zentrum der Macht geschafft. Mit dem Rap "Doping Business" hat er sich unter dem Künstlernamen "Seyfu" dem Sportausschuss des Bundestages als Sachverständiger empfohlen: "Injektion, Propionat, 5 Ampullen jeden Tag, Deca Enantat, Trenbolonacetat, 12 I.E., Wachse-Kur, täglich Insulinzufuhr, 4 Ampullen Enantat alle 7 Tage pur."
Zwischen Wissenschaftlern mit mehreren Doktor- und Professorentiteln liefert "Seyfu" Empirie der Straße vom Gucken und Hören. "Jeder Dritte, der Fitness macht", schätzt er, "hat schon mal gestofft."
Zwei Jahre nach dem Versuch, Doping im Spitzensport durch die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes einzudämmen, zählen nun Menschen wie Schulze zu den Argumentationshilfen beim nächsten Schritt: Die Novelle bringt nicht die gewünschten Ergebnisse. Das Gesetz schreckt nicht ausreichend vor Doping ab, was nicht allein an Defiziten in der Strafverfolgung liegt. "Wir müssen endlich akzeptieren, dass die Jagd nach Hintermännern nicht ausreicht, sondern dass der Sportler, der Doping zulässt, genauso Täter ist und strafrechtlich verfolgt werden muss", sagt Dagmar Freitag, Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Sportsprecherin der SPD, "wir müssen in der 17. Wahlperiode eine Mehrheit für eine weitere Verschärfung des Gesetzes organisieren."
Der Deutsche Olympische Sportbund mit dem früheren Olympiafechter Thomas Bach an der Spitze und dem Anabolika-erprobten Ex-Turner Eberhard Gienger, CDU-Sportausschussmitglied, als Vizepräsident, lehnt die Strafverfolgung dopender Athleten strikt ab.
Kämpfer für sauberen Sport verlegen sich daher nun auf eine neue Strategie: Aufgrund der kleinen Zielgruppe Spitzensport ließe sich eine Verschärfung des Gesetzes allein mit Blick auf dopende Stars kaum rechtfertigen. Daher rückt nun die breite Masse Freizeitsportler mit chemisch gefördertem Muskelaufbau ins Visier. Rapper Schulzes saloppe Schätzung lässt sich wissenschaftlich fundieren: Etwa 700 000 von sechs Millionen Mitgliedern in Fitnessstudios hätten gedopt, berichtet der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon. In Belgien neulich fielen die Nationalen Bodybuilding-Meisterschaften plötzlich aus: Als ein Dopingkontrolleur kam, um die 20 Teilnehmer zu testen, brach Hektik in der Halle aus, an deren Ende alle Konkurrenten gemeinsam flüchteten. Der deutsche Verband der Fitness- und Gesundheitsunternehmen gibt schriftlich zu Protokoll: "Der Medikamentenmissbrauch beginnt erfahrungsgemäß bereits im Alter von 13 Jahren."
Freitags SPD steht daher keineswegs allein. Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk fordert nun erneut strengere Vorschriften: "Die Gesetzesänderung hat nicht gewirkt", sagt die CSU-Frau, "wir können nicht systematisch gegen dopende Sportler vorgehen. Wir können keine Strategie aufbauen, um ganz gezielt zu ermitteln."
Auf die Vernunft der ihre Gesundheit durch Doping riskierenden Athleten ist kein Verlass. Rapper "Seyfu" hat Anabolika genommen, obwohl er weiß, dass Frauenbrüste von den Hormonen wachsen können. Er nennt sie "Bitch-Tits", kennt aber sogar den wissenschaftlichen Begriff. Nach dem Bundestagsauftritt wendet er sich an seinen Nachbarn: Jörg D. Börjesson, einst Bodybuilder, nun Antidopingkämpfer. "Sind Sie der Herr mit der Gynäkomastie", fragt "Seyfu". Börjesson, der zur Abschreckung die Vergrößerung seiner Brustdrüsen durch Doping beschreibt, nickt.