muskelbody
27.11.2002, 23:24
Seit dem Tod des Dopingsünders Andreas Münzer fragen sich die Vordenker der Szene: Braucht das Bodybuilding solche Kolosse?
Von RAINER ZITELMANN
Wer Bodybuilding als Sport betreibt, muß mit einem zweifachen Vorwurf leben: Es ist doch kein Sport, wenn Muskelmenschen einen Bizeps spielen lassen, den sie mit Hilfe von Anabolika aufgepumpt haben. Die Bauleute ihres eigenen Körpers geben zu, daß Doping Probleme macht. Aber sie kontern: Die Miesmacher suchten nur nach Vorwänden, um etwas anderes zu kaschieren - ihre Angst, ihren Neid.
Berlin - Günter B. ist seit über 20 Jahren Bodybuilder, und er ist stolz darauf. Früher hat er mal bei einer Landesmeisterschaft gewonnen und sich sogar bei den deutschen Meisterschaften im Bodybuilding plaziert. Er freut sich immer auf den Sommer, denn Sommerzeit ist Bodybuilders Zeit. Die gewaltigen Muskelpakete, die er in endlosen Trainingsstunden aufgebaut hat, kann er jetzt dem staunenden Publikum präsentieren. Auch früher hat es manche abwertenden Kommentare gegeben, aber dieses Jahr ist es besonders schlimm. "Aufgeblasenes Anabolikamonster", schimpften seine schmalen Mitmenschen. Dabei hat "er schon seit Jahren nichts mehr genommen".
Nicht nur Günter B. geht es so. Manche Bodybuilder, so der Generalsekretär des Deutschen Bodybuilding- und Fitneßverbandes (DBFV), Erich Janner, trauen sich kaum noch, ihre Muskeln in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wer die Schuld daran trägt, steht für die Bodybuilder fest: die Medien mit ihrer als einseitig empfundenen Berichterstattung. In der Bodybuilding-Zeitschrift "Flex" hieß es: "Der Schmerz, den jeder Bodybuilder ob all der negativen Presse spürt, ist unbestreitbar." Dabei hatte man geglaubt, daß Bodybuilding dank Arnold Schwarzenegger und Fitneßboom in den letzten Jahren gesellschaftsfähig geworden sei. Doch die zahlreichen Negativschlagzeilen, die es gab, nachdem im Frühjahr mit Andreas Münzer einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bodybuilder verstorben war, drohen mit einem Schlag den Imagegewinn wieder zunichte zu machen.
Auch wenn die in Medien veröffentlichten langen Listen mit Pharmaka, die Münzer genommen haben soll, fragwürdig sind, so ist jedenfalls unbestritten, daß Münzer Anabolika und andere Dopingmittel genommen hat. In der Folge der Berichterstattung fühlen sich jetzt jedenfalls die Kritiker in der Meinung bestärkt, die muskelbepackten Körper seien nur das Ergebnis von massivem Medikamentenmißbrauch.
"Die wissen ja nicht, wie man sich über Jahre quälen muß. Sechs Mal in der Woche drei Stunden im Studio, 150 oder mehr Kilo auf der Hantel beim Bankdrücken, vielleicht 200 Kilo bei der Kniebeuge. Und dann die Disziplin bei der Ernährung: Vor Meisterschaften muß man fast ohne Fett und Kohlehydrate auskommen, den letzten Tropfen Wasser aus dem Körper schwitzen", empört sich ein Bodybuilder aus einem Berliner Fitneßstudio. Seine Logik: Wer nur Anabolika nimmt und nicht Jahr um Jahr trainiert, dem werden auch keine Muskeln wachsen. Was er nicht sagen mag: Wer im Leistungsbodybuilding mitmischen will, hat ohne Anabolika keine Chance.
Aber selbst in den Bodybuilding-Magazinen melden sich inzwischen nachdenkliche Stimmen. So wird in der August-Ausgabe von "Sport und Fitness" ein "Umdenken" gefordert: "Wie gehen wir Insider mit dem Tod von Andreas Münzer um? Gehen wir zur Tagesordnung über, bis der nächste umfällt, oder erhält Münzers Tod zumindest dadurch einen Sinn, daß er unter den Spitzenathleten, Juroren und anderen Entscheidungsträgern für ein Umdenken sorgt? Braucht das Bodybuilding 140 Kilogramm schwere Kolosse, oder sind diese Auswüchse das Ende des Bodybuildings?"
In den einschlägigen Fachzeitschriften für Bodybuilding finden sich ausführliche Artikel über Anabolika und andere Pharmaka. Vor manchen Dopingmitteln wird mit Nachdruck gewarnt, über andere wird "informiert". Es ist zu befürchten, daß manch ein Leser die Warnungen überlesen und die Information als Empfehlung werten wird.
Gefordert sind jetzt Entscheidungsträger wie Erich Janner, der Hauptkampfrichter für die Bodybuilding-Meisterschaften in Deutschland und auch internationaler Amateur- und Profikampfrichter ist. Angesprochen auf das Doping-Thema, holt Janner ein Fax hervor: Absender ist der IOC-Vizepräsident Prince Alexandre de Merode, der die Medizinische Kommission des IOC leitet. Der Adressat des Schreibens vom 3. Juli ist Ben Weider, Präsident der International Federation of Body-Builders (IFBB). De Merode spricht dem Präsidenten des Bodybuilding-Verbandes ausdrücklich seine Anerkennung für die Anstrengungen im "Kampf gegen das Doping im Sport" aus.
Der deutsche Bodybuilding-Verband hat jetzt neue Dopingbestimmungen erlassen, in denen er sich verpflichtet, bei allen Qualifikationen für internationale Wettkämpfe Dopingkontrollen nach dem Reglement des IOC durchzuführen. Das Problem ist aber, daß sich in den Urintests die Anabolika nicht mehr nachweisen lassen, wenn diese rechtzeitig vor den Meisterschaften abgesetzt werden. Deshalb wurde in die neuen Dopingbestimmungen erstmals auch die Untersuchung bestimmter sichtbarer Veränderungen aufgenommen, die wesentlich länger anhalten und damit einen Hinweis auf Anabolikamißbrauch während der Trainingsphase geben können. Neben den bekannten Anabolika-Aknen ist vor allem die sogenannte Gynäkomastie gemeint, eine spezifische Veränderung der männlichen Brustwarzen.
In Sportstudios, die dem Verband angeschlossen sind, sei es verboten, mit Anabolika zu handeln oder auch nur darüber zu sprechen, so Erich Janner. Bernd Wedemeyer, intimer Kenner der Bodybuilding-Szene und Autor einer soeben im Beck-Verlag erschienenen "Kulturgeschichte des Bodybuildings", bleibt jedoch skeptisch: "Die Leistungsbodybuilder, die bei Meisterschaften mitmachen, nehmen alle was", meint er. Die Erklärung ist einfach: "Der Druck ist zu groß. Wachstum um jeden Preis ist das Leitmotiv unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Und das wird im Bodybuilding konsequent umgesetzt."
Auch die Bodybuilding-Zeitschrift "Flex" räumt selbstkritisch ein: "Es bestehen wohl keine Zweifel daran, daß Bodybuilding in den letzten drei Jahrzehnten eine ernsthafte Wandlung durchschritten hat. Gesundheitliche Ideale, die einst im Vordergrund standen, mußten der harten Realität des kompetitiven Drucks weichen."
Allerdings, so gibt Wedemeyer zu bedenken, sei das Thema "Anabolika" für viele Kritiker nur ein Vorwand, der sie in den ganz anders begründeten Vorurteilen über Bodybuilding bestärkt. Es sei falsch, das Bodybuilding, das eine ganze Lebensphilosophie darstellen wolle, auf das Thema Anabolika zu reduzieren, zumal die übergroße Mehrheit der in den etwa 5000 deutschen Bodybuilding- und Fitneßstudios Trainierenden sicher noch nie Anabolika genommen hat. Erich Janner schätzt die Zahl der aktiven Leistungsbodybuilder in Deutschland, die an regionalen, nationalen und internationalen Meisterschaften teilnehmen, auf höchstens 10 000.
In Amerika gibt es inzwischen sogar die Bewegung der "Natural Bodybuilder", die eigene Meisterschaften ausrichten, an denen niemand teilnehmen darf, der irgendwann einmal in seinem Leben Anabolika genommen hat. Eine Initiative, die sich allerdings auf die Ehrlichkeit ihrer Akteure verlassen muß: Den Nachweis, daß jemand lebenslang "sauber" trainiert hat, gibt es noch nicht.
Die Vorurteile, mit denen Bodybuilding zu kämpfen hat, sind so alt wie diese Sport, wobei die Anhänger darauf bestehen, daß es ein Sport ist, die Kritiker das aber vehement bestreiten. Schließlich kann man bei den Meisterschaften nicht Höhen, Gewichte, Geschwindigkeiten oder Weiten messen, da nach Kampfrichterwertungen entschieden wird, bei denen es immer ein subjektives Moment gibt. "Aber da unterscheidet sich Bodybuilding nicht vom Eiskunstlaufen oder Turmspringen", findet Erich Janner.
Bei den Bodybuilding-Wettkämpfen gibt es eine "Pflicht", bei der die einzelnen Muskelgruppen der Teilnehmer und der Gesamteindruck bewertet werden. Die Kampfrichter entscheiden nach Kriterien wie Symmetrie, Harmonie und Gleichmäßigkeit der Muskelentwicklung. Die jeweils besten und schlechtesten Bewertungen werden gestrichen. Nach diesem Vergleich der Physis folgt die Kür, "Posing" genannt, bei der die Bodybuilder zu musikalischer Untermalung die Muskeln spielen lassen.
Der Weltverband der Bodybuilder, die IFBB, umfaßt inzwischen 166 Länder - damit ist er der fünfgrößte Sportverband der Welt. Der Verband wird von über 100 Nationalen Olympischen Komitees oder staatlichen Sportorganisationen anerkannt, die den Amateursport in ihren Ländern verwalten. Seit 1970 ist die IFBB Mitglied in der General Association of International Sports Federations, die vom IOC anerkannt ist. Sie nimmt auch als der offizielle Weltverband an den Südostasienspielen teil, die vom IOC sanktioniert sind. Und schließlich nehmen die IFBB-Bodybuilder auch an den "World Games" der nichtolympischen Sportarten teil.
Der große Traum der Bodybuilder, auch als olympische Sportart anerkannt zu werden, scheint dagegen noch in weiter Ferne, trotz des offiziellen Optimismus der Verbandsfunktionäre. Auch die Aufnahme in den Deutschen Sportbund blieb dem Bodybuilding-Verband verwehrt. Bernd Wedemeyer verweist darauf, daß in der DDR noch vor der Wende der Bodybuilding-Verband amtlich anerkannt wurde und Mitglied im Deutschen Turn- und Sportbund war.
Die Hoffnungen, auf diesem Weg durch die Wiedervereinigung auch Mitglied im Deutschen Sportbund zu werden, erfüllten sich aber nicht. "Einer Aufnahme in den Deutschen Sportbund steht entgegen", so Wedemeyer, "daß die Basis des Bodybuilding-Verbandes kommerziell ausgerichtete Sportstudios sind. Das ist zumindest das formale Argument."
Dahinter stehen auch die prinzipiellen Aversionen gegen den Muskelsport, die bei manchen Bodybuildern geradezu einen "Verfolgungswahn" auslösen - so sieht das zumindest Wedemeyer. "Die derzeitige Berichterstattung aktualisiert bei vielen Bodybuildern ein ohnehin latent vorhandenes Gefühl, daß man als Minderheit stigmatisiert und ausgegrenzt wird." Erich Janner macht für die Negativhaltung gegen das Bodybuilding tiefere psychologische Ursachen verantwortlich. Schließlich seien starke Muskeln sekundäre Geschlechtsmerkmale, und da spielten auch unbewußte Neid- und Sexualkomplexe in der Ablehnung dieses Sports mit.
Auch Wedemeyer, der vielen Erscheinungen im Bodybuilding durchaus mit der abwägenden Distanz eines Intellektuellen gegenübersteht, fragt dennoch kritisch nach den Motiven für die so vehemente Ablehnung dieses Sports, gerade in intellektuellen Kreisen: "Unkontrolliert schimmert eine leise Furcht durch, nämlich eine Furcht vor dem Körper, vor hervorquellenden Blutgefäßen und gewaltigen Muskelbergen. Eine Urangst breitet sich beim Anblick von Bodybuildern im Intellektuellen aus."
Vielleicht macht es manchen Bodybuildern ja gerade Spaß, diese Urangst hervorzukitzeln. Und vielleicht brauchen manche Muskelmänner das verständnislose bis angewiderte Kopfschütteln ihrer leptosomen Mitmenschen ebenso wie der Punker mit seinen buntgefärbten Haaren die Empörung der "Spießer". Und so werden sich denn wohl auch in diesem Sommer die Bodybuilder nicht verstecken.
Quelle: die welt
Von RAINER ZITELMANN
Wer Bodybuilding als Sport betreibt, muß mit einem zweifachen Vorwurf leben: Es ist doch kein Sport, wenn Muskelmenschen einen Bizeps spielen lassen, den sie mit Hilfe von Anabolika aufgepumpt haben. Die Bauleute ihres eigenen Körpers geben zu, daß Doping Probleme macht. Aber sie kontern: Die Miesmacher suchten nur nach Vorwänden, um etwas anderes zu kaschieren - ihre Angst, ihren Neid.
Berlin - Günter B. ist seit über 20 Jahren Bodybuilder, und er ist stolz darauf. Früher hat er mal bei einer Landesmeisterschaft gewonnen und sich sogar bei den deutschen Meisterschaften im Bodybuilding plaziert. Er freut sich immer auf den Sommer, denn Sommerzeit ist Bodybuilders Zeit. Die gewaltigen Muskelpakete, die er in endlosen Trainingsstunden aufgebaut hat, kann er jetzt dem staunenden Publikum präsentieren. Auch früher hat es manche abwertenden Kommentare gegeben, aber dieses Jahr ist es besonders schlimm. "Aufgeblasenes Anabolikamonster", schimpften seine schmalen Mitmenschen. Dabei hat "er schon seit Jahren nichts mehr genommen".
Nicht nur Günter B. geht es so. Manche Bodybuilder, so der Generalsekretär des Deutschen Bodybuilding- und Fitneßverbandes (DBFV), Erich Janner, trauen sich kaum noch, ihre Muskeln in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wer die Schuld daran trägt, steht für die Bodybuilder fest: die Medien mit ihrer als einseitig empfundenen Berichterstattung. In der Bodybuilding-Zeitschrift "Flex" hieß es: "Der Schmerz, den jeder Bodybuilder ob all der negativen Presse spürt, ist unbestreitbar." Dabei hatte man geglaubt, daß Bodybuilding dank Arnold Schwarzenegger und Fitneßboom in den letzten Jahren gesellschaftsfähig geworden sei. Doch die zahlreichen Negativschlagzeilen, die es gab, nachdem im Frühjahr mit Andreas Münzer einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bodybuilder verstorben war, drohen mit einem Schlag den Imagegewinn wieder zunichte zu machen.
Auch wenn die in Medien veröffentlichten langen Listen mit Pharmaka, die Münzer genommen haben soll, fragwürdig sind, so ist jedenfalls unbestritten, daß Münzer Anabolika und andere Dopingmittel genommen hat. In der Folge der Berichterstattung fühlen sich jetzt jedenfalls die Kritiker in der Meinung bestärkt, die muskelbepackten Körper seien nur das Ergebnis von massivem Medikamentenmißbrauch.
"Die wissen ja nicht, wie man sich über Jahre quälen muß. Sechs Mal in der Woche drei Stunden im Studio, 150 oder mehr Kilo auf der Hantel beim Bankdrücken, vielleicht 200 Kilo bei der Kniebeuge. Und dann die Disziplin bei der Ernährung: Vor Meisterschaften muß man fast ohne Fett und Kohlehydrate auskommen, den letzten Tropfen Wasser aus dem Körper schwitzen", empört sich ein Bodybuilder aus einem Berliner Fitneßstudio. Seine Logik: Wer nur Anabolika nimmt und nicht Jahr um Jahr trainiert, dem werden auch keine Muskeln wachsen. Was er nicht sagen mag: Wer im Leistungsbodybuilding mitmischen will, hat ohne Anabolika keine Chance.
Aber selbst in den Bodybuilding-Magazinen melden sich inzwischen nachdenkliche Stimmen. So wird in der August-Ausgabe von "Sport und Fitness" ein "Umdenken" gefordert: "Wie gehen wir Insider mit dem Tod von Andreas Münzer um? Gehen wir zur Tagesordnung über, bis der nächste umfällt, oder erhält Münzers Tod zumindest dadurch einen Sinn, daß er unter den Spitzenathleten, Juroren und anderen Entscheidungsträgern für ein Umdenken sorgt? Braucht das Bodybuilding 140 Kilogramm schwere Kolosse, oder sind diese Auswüchse das Ende des Bodybuildings?"
In den einschlägigen Fachzeitschriften für Bodybuilding finden sich ausführliche Artikel über Anabolika und andere Pharmaka. Vor manchen Dopingmitteln wird mit Nachdruck gewarnt, über andere wird "informiert". Es ist zu befürchten, daß manch ein Leser die Warnungen überlesen und die Information als Empfehlung werten wird.
Gefordert sind jetzt Entscheidungsträger wie Erich Janner, der Hauptkampfrichter für die Bodybuilding-Meisterschaften in Deutschland und auch internationaler Amateur- und Profikampfrichter ist. Angesprochen auf das Doping-Thema, holt Janner ein Fax hervor: Absender ist der IOC-Vizepräsident Prince Alexandre de Merode, der die Medizinische Kommission des IOC leitet. Der Adressat des Schreibens vom 3. Juli ist Ben Weider, Präsident der International Federation of Body-Builders (IFBB). De Merode spricht dem Präsidenten des Bodybuilding-Verbandes ausdrücklich seine Anerkennung für die Anstrengungen im "Kampf gegen das Doping im Sport" aus.
Der deutsche Bodybuilding-Verband hat jetzt neue Dopingbestimmungen erlassen, in denen er sich verpflichtet, bei allen Qualifikationen für internationale Wettkämpfe Dopingkontrollen nach dem Reglement des IOC durchzuführen. Das Problem ist aber, daß sich in den Urintests die Anabolika nicht mehr nachweisen lassen, wenn diese rechtzeitig vor den Meisterschaften abgesetzt werden. Deshalb wurde in die neuen Dopingbestimmungen erstmals auch die Untersuchung bestimmter sichtbarer Veränderungen aufgenommen, die wesentlich länger anhalten und damit einen Hinweis auf Anabolikamißbrauch während der Trainingsphase geben können. Neben den bekannten Anabolika-Aknen ist vor allem die sogenannte Gynäkomastie gemeint, eine spezifische Veränderung der männlichen Brustwarzen.
In Sportstudios, die dem Verband angeschlossen sind, sei es verboten, mit Anabolika zu handeln oder auch nur darüber zu sprechen, so Erich Janner. Bernd Wedemeyer, intimer Kenner der Bodybuilding-Szene und Autor einer soeben im Beck-Verlag erschienenen "Kulturgeschichte des Bodybuildings", bleibt jedoch skeptisch: "Die Leistungsbodybuilder, die bei Meisterschaften mitmachen, nehmen alle was", meint er. Die Erklärung ist einfach: "Der Druck ist zu groß. Wachstum um jeden Preis ist das Leitmotiv unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Und das wird im Bodybuilding konsequent umgesetzt."
Auch die Bodybuilding-Zeitschrift "Flex" räumt selbstkritisch ein: "Es bestehen wohl keine Zweifel daran, daß Bodybuilding in den letzten drei Jahrzehnten eine ernsthafte Wandlung durchschritten hat. Gesundheitliche Ideale, die einst im Vordergrund standen, mußten der harten Realität des kompetitiven Drucks weichen."
Allerdings, so gibt Wedemeyer zu bedenken, sei das Thema "Anabolika" für viele Kritiker nur ein Vorwand, der sie in den ganz anders begründeten Vorurteilen über Bodybuilding bestärkt. Es sei falsch, das Bodybuilding, das eine ganze Lebensphilosophie darstellen wolle, auf das Thema Anabolika zu reduzieren, zumal die übergroße Mehrheit der in den etwa 5000 deutschen Bodybuilding- und Fitneßstudios Trainierenden sicher noch nie Anabolika genommen hat. Erich Janner schätzt die Zahl der aktiven Leistungsbodybuilder in Deutschland, die an regionalen, nationalen und internationalen Meisterschaften teilnehmen, auf höchstens 10 000.
In Amerika gibt es inzwischen sogar die Bewegung der "Natural Bodybuilder", die eigene Meisterschaften ausrichten, an denen niemand teilnehmen darf, der irgendwann einmal in seinem Leben Anabolika genommen hat. Eine Initiative, die sich allerdings auf die Ehrlichkeit ihrer Akteure verlassen muß: Den Nachweis, daß jemand lebenslang "sauber" trainiert hat, gibt es noch nicht.
Die Vorurteile, mit denen Bodybuilding zu kämpfen hat, sind so alt wie diese Sport, wobei die Anhänger darauf bestehen, daß es ein Sport ist, die Kritiker das aber vehement bestreiten. Schließlich kann man bei den Meisterschaften nicht Höhen, Gewichte, Geschwindigkeiten oder Weiten messen, da nach Kampfrichterwertungen entschieden wird, bei denen es immer ein subjektives Moment gibt. "Aber da unterscheidet sich Bodybuilding nicht vom Eiskunstlaufen oder Turmspringen", findet Erich Janner.
Bei den Bodybuilding-Wettkämpfen gibt es eine "Pflicht", bei der die einzelnen Muskelgruppen der Teilnehmer und der Gesamteindruck bewertet werden. Die Kampfrichter entscheiden nach Kriterien wie Symmetrie, Harmonie und Gleichmäßigkeit der Muskelentwicklung. Die jeweils besten und schlechtesten Bewertungen werden gestrichen. Nach diesem Vergleich der Physis folgt die Kür, "Posing" genannt, bei der die Bodybuilder zu musikalischer Untermalung die Muskeln spielen lassen.
Der Weltverband der Bodybuilder, die IFBB, umfaßt inzwischen 166 Länder - damit ist er der fünfgrößte Sportverband der Welt. Der Verband wird von über 100 Nationalen Olympischen Komitees oder staatlichen Sportorganisationen anerkannt, die den Amateursport in ihren Ländern verwalten. Seit 1970 ist die IFBB Mitglied in der General Association of International Sports Federations, die vom IOC anerkannt ist. Sie nimmt auch als der offizielle Weltverband an den Südostasienspielen teil, die vom IOC sanktioniert sind. Und schließlich nehmen die IFBB-Bodybuilder auch an den "World Games" der nichtolympischen Sportarten teil.
Der große Traum der Bodybuilder, auch als olympische Sportart anerkannt zu werden, scheint dagegen noch in weiter Ferne, trotz des offiziellen Optimismus der Verbandsfunktionäre. Auch die Aufnahme in den Deutschen Sportbund blieb dem Bodybuilding-Verband verwehrt. Bernd Wedemeyer verweist darauf, daß in der DDR noch vor der Wende der Bodybuilding-Verband amtlich anerkannt wurde und Mitglied im Deutschen Turn- und Sportbund war.
Die Hoffnungen, auf diesem Weg durch die Wiedervereinigung auch Mitglied im Deutschen Sportbund zu werden, erfüllten sich aber nicht. "Einer Aufnahme in den Deutschen Sportbund steht entgegen", so Wedemeyer, "daß die Basis des Bodybuilding-Verbandes kommerziell ausgerichtete Sportstudios sind. Das ist zumindest das formale Argument."
Dahinter stehen auch die prinzipiellen Aversionen gegen den Muskelsport, die bei manchen Bodybuildern geradezu einen "Verfolgungswahn" auslösen - so sieht das zumindest Wedemeyer. "Die derzeitige Berichterstattung aktualisiert bei vielen Bodybuildern ein ohnehin latent vorhandenes Gefühl, daß man als Minderheit stigmatisiert und ausgegrenzt wird." Erich Janner macht für die Negativhaltung gegen das Bodybuilding tiefere psychologische Ursachen verantwortlich. Schließlich seien starke Muskeln sekundäre Geschlechtsmerkmale, und da spielten auch unbewußte Neid- und Sexualkomplexe in der Ablehnung dieses Sports mit.
Auch Wedemeyer, der vielen Erscheinungen im Bodybuilding durchaus mit der abwägenden Distanz eines Intellektuellen gegenübersteht, fragt dennoch kritisch nach den Motiven für die so vehemente Ablehnung dieses Sports, gerade in intellektuellen Kreisen: "Unkontrolliert schimmert eine leise Furcht durch, nämlich eine Furcht vor dem Körper, vor hervorquellenden Blutgefäßen und gewaltigen Muskelbergen. Eine Urangst breitet sich beim Anblick von Bodybuildern im Intellektuellen aus."
Vielleicht macht es manchen Bodybuildern ja gerade Spaß, diese Urangst hervorzukitzeln. Und vielleicht brauchen manche Muskelmänner das verständnislose bis angewiderte Kopfschütteln ihrer leptosomen Mitmenschen ebenso wie der Punker mit seinen buntgefärbten Haaren die Empörung der "Spießer". Und so werden sich denn wohl auch in diesem Sommer die Bodybuilder nicht verstecken.
Quelle: die welt